Zuletzt aktualisiert: 29. März 2022 von Oliver Kunz

Finanzblogs und Politik?!

Bisher habe ich mich nie gross zu politischen Themen geäussert, dies werde ich in Zukunft auch nur, wenn es um Finanzthemen geht.
Dennoch finde ich die erste Prognose der Umfrageergebnisse der SRG zur 99%-Initiative (mit bis zu 46% Ja-Stimmen) ein wenig beängstigend.

Deshalb schreibe ich diesen Beitrag, um die #Finanzbildung und #Aktienkultur in der Schweiz zu fördern!
Viel Spass beim Lesen meiner Meinung und meinen Argumenten zur 99%-Initiative in der Schweiz.


Was Will die 99%-Initiative?

Die 99%-Initiative der Jungsozialisten (Juso) Schweiz will gemäss Website folgendes:

Die Initiative fordert die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen (Zinsen, Dividenden etc.). Mit den Mehreinnahmen sollen die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Arbeitseinkommen gesenkt oder in die soziale Wohlfahrt wie Familienleistungen, Bildung und Gesundheit investiert werden.

https://99prozent.ch/

Am 26. September 2021 stimmen wir in der Schweiz über diese Initiative ab.

Was sind Kapitaleinkommen?

Folgende Einkommen definiert der Bund als Kapitaleinkommen:

  • Zinsen auf Erspartes
  • Dividenden
  • Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren, Aktien etc.
  • Erträge aus Vermietung
  • Gewinne aus dem Verkauf von Grundstücken

Diese werden aktuell wie Folgt besteuert:

  • Zinsen auf Erspartes: Die Zinsen auf das Ersparte werden wie das Einkommen aus dem Lohn besteuert.
  • Gewinne aus Aktien (Dividenden): Gewinne aus Aktien werden für Unternehmen über die Gewinnsteuer und für die AktienbesitzerInnen wie das Einkommen aus dem Lohn besteuert. Wenn einer Person mehr als zehn Prozent von einem Unternehmen gehören, dann wird nur noch ein Teil des Gewinns aus den Aktien als Einkommen besteuert. Der Rest wird nur als Gewinn, aber nicht als Einkommen besteuert.
  • Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren wie z. B. Aktien: Wenn Privatpersonen mit dem Verkauf von z. B. Aktien Gewinn machen, müssen sie für diesen Gewinn keine Steuern zahlen. Unternehmen, die mit Aktien handeln, müssen aber z. B. Gewinnsteuern zahlen.
  • Gewinne aus der Vermietung von Wohnungen: Die Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen oder anderen Grundstücken werden wie das Einkommen aus dem Lohn besteuert.
  • Gewinne aus dem Verkauf von Grundstücken: Wenn eine Privatperson aus dem Verkauf eines Grundstücks Gewinn macht, muss sie auf den Gewinn nur auf kantonaler Ebene Steuern zahlen.

Wie hoch soll die Steuer ausfallen?

Laut dem Initiativtext sollen Kapitalerträge neu, ab einem noch festzulegenden Betrag, im Umfang von 150% besteuert werden.

Die Juso hat als Schwellenwert CHF 100’000.- vorgeschlagen. Konkret sollen also alle Kapitaleinkünfte über CHF 100’000.- 50% höher besteuert werden.
Wenn du also nicht über 100’000.- an Kapitaleinkünften verdienst, bist du nicht direkt betroffen. Indirekt aber sehr wohl schon, wie ich weiter unten erkläre.

Dieser Schwellenwert würde aber, nach Annahme der 99%-Initiative, vom Parlament festgesetzt. Aktuell ist dies also noch unklar.

Ein Beispiel:

99%-Initiative besteuerung Kapitaleinkommen
Quelle: Finanzdepartement efd.admin.ch

Was macht man mit den Steuereinnahmen?

Mit dieser Steuererhöhung rechnet die Juso, dass rund 10 Milliarden Franken umverteilt werden können:

  • 6.8 Milliarden aus Mieteinahmen, Zinsen und Dividenden
  • 2 Milliarden aus Kursgewinnen von z.B. Aktien
  • 1.4 Milliarden durch Aufhebung von “Privilegien”

Diese 10 Milliarden will die Juso für die folgenden Dinge verwenden:

  • Steuerliche Entlastung der unteren und mittleren Einkommen
  • Soziale Wohlfahrt
    • Senkung Krankenkassenprämien
    • Weiterbildungen
    • Gesundheitswesen
    • Öffentlicher Verkehr
    • etc.

Hauptsache mehr Staat und Umverteilung. Jedoch sind dies nur Vorschläge und der endgültige Verwendungszweck ist noch nicht klar definiert.
Ich könnte mir gut vorstellen, wenn Personen mit tiefen Einkommen, weniger Lebenskosten haben, dass Arbeitgeber mehr Lohn-Dumping betreiben. Ein tieferes Einkommen würde dann zum Leben reichen.

Wer bezahlt wie viel Steuern?

Steuer nach Einkommen Schweiz ohne 99%-Initiative
Quelle: SRF

Die reichsten 1% bezahlen heute 24% der gesamten Einkommenssteuern und 40% der direkten Bundessteuer (Quelle: SRF Arena vom 03.09.2021)

Eindrückliche Zahlen finde ich, die Gesellschaft profitiert also überproportional von den Reichsten im Land.


Was könnten die Auswirkungen der 99%-Initiative sein?

Die Juso will die Top 1% höher besteuern, daher auch der Name der 99%-Initiative.
Aber geht das wirklich so einfach oder leidet schlussendlich die ganze Gesellschaft unter dieser Initiative?

Untern den Top 1% sind Vermieter, Investoren und Unternehmer, die dann höher besteuert werden.
Lassen sich diese Leute deutlich höhere Steuern auf Kapitaleinkommen gefallen?
Ich weiss es nicht, in der Schweiz haben wir bereits eine starke Steuerprogression.
Dies ist immer eine sehr schmale Gratwanderung.

Zu hohe Steuern vertreibt die reichen Leute und Investitionen werden unattraktiver.
Zu tiefe Steuern bringen weniger Einnahmen, schaffen aber Anreize für Investitionen und mehr Kapital.

So wäre es Vermietern langfristig möglich die Mietpreise stärker steigen zu lassen, um die höheren Steuern abfedern zu können.

Grossinvestoren könnten die Unternehmen anweisen, die Preise für Produkte zu erhöhen, um nach Steuern noch die gleichen Dividenden-Einnahmen zu erzielen.

Zwischenfazit:
Es ist nicht möglich die Top 1% zu besteuern, ohne dass dies Konsequenzen für die ganze Bevölkerung hat. Es zieht einen langen Rattenschwanz mit sich. Und wie wir gesehen haben, sind die Top 1% massgeblich für die Steuereinnahmen in der Schweiz verantwortlich.


Investieren wird bestraft?

Mit einer hohen Steuer auf Kapitaleinkommen werden viele Unternehmer höher besteuert!

Besonders betroffen sind also KMU, Firmengründer und Vermieter.

KMUs (Kleine und mittlere Unternehmen)

KMUs werden kaum angesprochen, diese sind aber massgeblich betroffen. (Quelle: https://zukunft-sichern.ch)

Doppelbesteuerung der Dividenden

Unternehmen bezahlen Gewinnsteuer und die Unternehmer persönlich zahlen Einkommenssteuern auf die Dividenden.
Wenn ein Unternehmer mehr als 10% der Firma besitzt (bei KMUs schnell möglich), müssen die Dividenden nur zu 60% besteuert werden, um die Doppelbelastung zu vermeiden.

Die Initiative würde diesen Mechanismus aushebeln, alle Dividenden müssten zu 100% versteuert werden, ab dem Schwellenwert sogar zu 150%.

Vermögenssteuer

Die Schweiz ist eines der wenigen Ländern mit Vermögenssteuer. Zum Steuerbaren Vermögen gehören auch Firmenbeteiligungen, z.B. eben von KMUs.
Inhaber der KMUs können die Vermögenssteuer z.B. durch die Dividenden bezahlen, welche mit der 99%-Initiative noch höher besteuert werden sollen. Dies wirkt sich negativ auf das Kapital der KMUs und deren Inhaber aus.

Steuern bei Übergabe/Verkauf von KMUs

Jährlich finden in der Schweiz 3’400 “Unternehmensnachfolgen” mit 48’000 betroffenen Personen statt.
Bisher war der Kapitalgewinn der Firmenbeteiligungen bei Verkauf/Übergabe von der Einkommenssteuer befreit.

Mit der 99%-Initiative würde sich dies ändern, die Wertsteigerungen von Firmenbeteiligungen (Kapitalgewinn) müssten neu versteuert werden.

Sogar bei kleinen Unternehmen wird der angepeilte Schwellenwert von CHF 100’000 schnell überschritten, also 150% Steuerbarkeit. Dies kann KMUs in schwierige Situationen bringen, da hohe Steuern fällig werden.

Start-ups

Investitionen in Start-ups werden für Investoren sehr viel unattraktiver, da später hohe Steuern auf Gewinne und Dividenden anfallen könnten.
Start-ups bringen der Schweiz jedoch sehr viel Innovation, Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze.

Investitionen in Start-ups Schweiz
Quelle: Swiss Venture Capital Report 2021

Allein im ersten Halbjahr 2021 wurden erneut CHF 1.7 Mrd in Schweizer Start-ups investiert.

Ich persönlich habe ebenfalls 500.- in das Start-up Neon investiert. Neon revolutioniert gerade die Schweizer Bankenlandschaft, ist komplett digital und bietet aktuell wohl das günstigste Bankkonto der Schweiz an.
Damit die Firma erfolgreich wachsen kann und die Profitabilität erreichen kann, ist man auf Investoren angewiesen!


Behauptungen der Juso bei der 99%-Initiative

Nachfolgend 2 Behauptungen der Juso, die ich nicht stehen lassen kann.

99%-Initiative – “Geld arbeitet nicht – du schon!”

Natürlich kann mit Geld jede Menge Arbeit geschaffen werden!

Geld kann man in neue Unternehmen, Dienstleistungen, Maschinen und Wohnungen investieren. Auf Rohmaterialen, Maschinen und Dienstleistungen werden Mehrwertsteuern erhoben, die geschaffenen Arbeitsplätze generieren Einkommenssteuern.

Arbeitnehmer sind auf Investitionen angewiesen.

Diese Investitionen würden durch die 99%-Initiative viel unattraktiver, was wiederrum die Steuereinnahmen senkt.

Die Reichen werden immer reicher

Die Juso meint:
“Die 300 Reichsten Schweizer konnten ihr Vermögen in den letzten siebzehn Jahren von 352 Milliarden auf unvorstellbare 707 Milliarden Franken verdoppeln.”

Beeindruckt oder überrascht mich dies? Nein, überhaupt nicht!
Hier fehlt einfach die Finanzbildung.

Ein Privatanleger hätte mit einer Anlage in einen globalen Aktienfonds (z.B. einem MSCI World ETF) sein Kapital, in der gleichen Zeit trotz Finanzkrise, mehr als verdoppelt.

MSCI World ETF Index historisch
Quelle Bild: Wikipedia

Mittlerweile steht der Aktienfonds sogar bei 3169 Punkten (Stand 07.09.2021 Quelle: finanzen.ch)

Lieber die Armen reicher machen als die Reichen ärmer

Die Juso sagt, die Reichen können ihr Vermögen mit “bösen” Aktien weiter vermehren.

Das stimmt aber das kann jeder Schweizer Bürger auch! Wieso sollte die breite Bevölkerung den Aktienmarkt nicht auch nutzen können und sich so an der Weltwirtschaft beteiligen?

Der Zugang zum Aktienmarkt ist nicht beschränkt. Schon kleine Beträge langfristig zu investieren ist sinnvoll!
Traut es die Juso dem breiten Volk nicht zu, etwas über Finanzen zu lernen und das verdiente Geld sinnvoll anzulegen?

In diesen Beiträgen zeige ich, wie und wo jeder Bürger in der Schweiz sein Geld sinnvoll investieren könnte:

ETF Sparplan in der Schweiz ein Vergleich

ETF Sparplan Schweiz

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Einschränkungen anstelle von Anreizen?

Mehr Einschränkungen und Umverteilungen werden zwangsweise auch mehr Bürokraten-Jobs schaffen und die Bürokratie aufblasen. Dies kostet wieder Steuergelder und hilft der Wirtschaft überhaupt nicht. Die 99%-Initiative rückgängig zu machen würde ebenfalls schwierig werden.

Ich finde Anreize viel besser als mehr Steuern, Abgaben und Einschränkungen.
Was motiviert mehr? Anreize und Freiheit oder Verbote und Abgaben?

Ich stimme den Jungsozialisten zu, wenn sie Personen mit tiefen Löhnen entlasten, sowie die Gesundheit und Bildung verbessern wollen!

Dies kann aber nicht durch mehr Umverteilung geschehen, sondern durch Anreize, sinnvolle Verwendung von Kapital und Investitionen in Innovation.

Folgende Massnahmen würde ich viel sinnvoller finden:

  • Kostenlose Bildung, insbesondere Finanzbildung, vor allem in der Schule
  • Weniger Bürokratie
  • Höhere Mindestlöhne
  • Steuerfreie Dividenden für Personen mit tiefen Einkommen

Finde ich Ungleichheit gut?

Nein, zu viel Ungleichheit ist definitiv nicht gut für eine Gesellschaft. Es wird immer eine gewisse Ungleichheit geben und dies ist auch nicht zu vermeiden.
Viel wichtiger ist meiner Meinung nach aber die Chancengleichheit, daher plädiere ich für Finanzbildung, Anreize und tatkräftige Unterstützung, wo sie wirklich gebraucht wird!

Durch mehr Umverteilung rutschen wir weiter Richtung Sozialismus, daher ein klares NEIN zu dieser unklaren und schlechten 99%-Initiative, denn es trifft die ganze Bevölkerung! Sie würde die Wirtschaft in der Schweiz erheblich schwächen und bringt keinen Mehrwert.

Der Unterschied zwischen Kapitalismus und Sozialismus ist einfach erklärt: ein großer Kuchen, der ungerecht, oder ein kleiner Kuchen, der gerecht geteilt wird; mit dem Ergebnis, dass die gerechten Stücke des kleinen Kuchens viel winziger sind als die kleinsten Stücke des großen Kuchens.

André Kostolany

Vielen Dank fürs Lesen dieses Beitrags!
Teile ihn doch gerne mit allen, die diese 99%-Initiative interessiert und schreibe deine Meinung in die Kommentare!


Disclaimer zum Beitrag der 99%-Initiative

Keine Anlageberatung und Haftung. Keine Gewähr auf Richtigkeit der Angaben. Es handelt sich um meine persönliche Meinung.
Investieren beinhaltet Verlustrisiken.


Oliver Kunz

Oliver Kunz schreibt seit 2020 Artikel über die Themen Vorsorge, Finanzen, Investments und Kryptowährungen in der Schweiz.

4 Comments

KauntNull · 22. September 2021 at 22:44

> “So wäre es Vermietern langfristig möglich die Mietpreise stärker steigen zu lassen, um die höheren Steuern abfedern zu können.”

Dem muss ich kurz widersprechen, denn der Mietzins ist an den Referenzzinssatz gekoppelt und gegen Mietzinswucher (Stichwort überrissene Rendite) abgesichert. Wie weit man dieser Absicherung trauen möchte, sei dahingestellt.

In den anderen Belangen stimme ich dir zu, die 99%-Initiative ist genauso unausgegorener Mist wie praktisch alles, was vom rechten Rand des Spektrums kommt und in irgendeiner Weise auf Ausländer zielt. Von den extremen Rändern des politischen Spektrums kann einfach nichts Sinnvolles kommen. Treppenwitz dabei: weil sich die Schweiz bei einer Annahme der Initiative für gut ausgebildete Ausländer unattraktiver machen würde, müssten strammrechte SVP-Schergen eigentlich ein JA in die Urne werfen wollen 🙂

    Oliver Kunz · 23. September 2021 at 9:25

    Danke sehr! Ein guter und richtiger Einwand mit dem Referenzzinssatz.
    Auf der Webseite des Mieterverbands steht, dass ebenfalls die “Kostensteigerungen” und die “Teuerung” berücksichtigt wird.
    Hier gibt es wohl Spielraum für Interpretation und ich stimme dir zu, wie weit man der Absicherung trauen kann ist ungewiss.
    Ebenfalls müsste der Senkungsanspruch vom Mieter aus gletend gemacht werden.

    Extrme Meinungen und Initiativen regen zum Denken an, sind aber kaum zielführend 😉

CW · 8. September 2021 at 3:43

Da braucht es nur einen Blick in die Geschichte. Funktioniert in der Praxis nicht wirklich gut sowas, aber wird immer wieder gefordert.

    Oliver Kunz · 8. September 2021 at 7:59

    Danke für den Kommentar!
    Genau so ist es, Venezuela ist ein gutes Beispiel. Mit dem Sozialismus wurde die Wirtschaft zerstört, Armut breitete sich rasant aus und die politischen Eliten waren hochgradig korrupt.
    Wieso akutell wieder mehr Sozialismus gefordert wird ist mir ein Rätsel. Hier fehlt wohl einfach die Finanzbildung.

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